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NEU! "Orthodoxe Religionspädagogik"

an der Universität Wien

 

 

Tod, Auferstehung und das ewige Leben (2.Teil)

In der Fastenzeit vor Ostern, dem Fest der Auferstehung Christi, kommen dem Gläubigen unweigerlich Gedanken, die sich um das wichtigste Thema eines orthodoxen Christen drehen. Der Tod oder besser gesagt die Auferstehung und das ewige Leben beschäftigen den Menschen unentwegt. Zu diesen Begriffen wollen wir einen der bekanntesten orthodoxen Theologen, den Hl. Justin (Popovic) zu Wort kommen lassen.

 

Im zweiten Teil dieses Diskurses spricht der Hl. Justin über das Besondere Gericht Gottes und über die Verfassung der Seele nach dem Tod.

Der Hl. Justin (Popovic) war vor dem Zweiten Weltkrieg Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät in Belgrad. Danach wurde er von den Kommunisten verfolgt, verhört und inhaftiert. Nach 1948 verbrachte er den Rest seines Lebens als Mönch im Kloster Ćelije, unweit von der serbischen Stadt Valjevo. Er verstarb an seinem Geburtstag, am 7. April 1979 im Alter von 85 Jahren. Am 2. Mai 2010 wurde er von Heiligen Synod der Serbischen Kirche heiliggesprochen. Zu seinen berühmtesten Werken zählen u. a. die Schriften Philosophie und Religion des F. M. Dostojewski und Die Dogmatik der Orthodoxen Kirche, sowie die Viten der Heiligen (in 12 Bänden)

 

 

Hl. Justin Popovic

 

Das Besondere Gericht Gottes

 

Es ist natürlich, dass Gott, der Schöpfer, Erlöser und Heiligender ist, gleichzeitig auch Richter sein wird. Denn als Schöpfer hat Er uns das Leben gegeben; als Erlöser hat Er uns von Sünde, Tod und Teufel errettet; als Heiligender hat Er uns in der Kirche alle Mittel zur Heiligung und Rettung gegeben; als Richter schätzt, richtet und wiegt Er ab, wie wir uns des Lebens bedient haben, das uns gegeben wurde und der Mittel, die uns in der Kirche für unsere Erlösung hinterlassen wurden.

 

Nach der Lehre der Heiligen Offenbarung gehört das Letzte Gericht unserem Herrn Jesus Christus, da Er der Retter der Welt ist. In der Hl. Schrift heißt es: Gott Vater gab das ganze Gericht dem Sohn. ¹ Dieses Gericht wird unser Herr Christus bei seinem Zweiten Kommen abhalten, denn Er wird dann kommen „um zu richten die Lebenden und die Toten“. Und das wird das endgültige Gericht sein. Doch auch davor hält der Herr das vorherige Gericht über jeden Menschen ab, sobald dieser gestorben ist und seine Seele aus dieser in die andere Welt übergeht. Dieses Gericht nennt sich das Besondere Gericht. Bei diesem Besonderen Gericht bestimmt der Herr der Seele die Rolle im Leben nach dem Tod bis zur allgemeinen Auferstehung der Körper, das bei der Zweiten Ankunft des Herrn sein wird.

 

Beim Besonderen Gericht erteilt der Herr den gerechten Seelen die vorläufige und unvollständige Seligkeit, und den sündigen Seelen – das vorläufige und unvollständige Leiden. Dabei berücksichtigt Gott die ganze moralische Verfassung der Seele im Moment des Todes: die ganze Fülle der Seele, mit der sie in das Leben nach dem Tod eingetreten ist. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung die Beziehung des Menschen während seines irdischen Lebens gegenüber der Dreifaltigen Gottheit, gegenüber dem erlösenden Werk unseres Herrn Christus, und gegenüber seinem Gottmenschlichen Körper – der Kirche.    

 

Die Geschichte des Erlösers über den Reichen und Lazarus zeigt deutlich, dass nach dem Tod das Gericht über die Seele jedes Menschen sofort gehalten wird, nach dem diese entweder an den Ort der Seligkeit und Freude, ² oder an den Ort des Leidens und der Trauer kommt. ³ Der eine und der andere Ort wird einem auf Basis des irdischen Lebens des Menschen zugeteilt. ⁴

 

Die Verfassung der Seele im Leben nach dem Tod

 

Die Seelen der verstorbenen Menschen gelangen ins Leben nach dem Tod mit ihrem gesamten Inhalt: „Ihre Taten folgen ihnen“. ⁵ Sie gehen hinein mit all ihren Gedanken und Gefühlen, mit all ihren Tugenden und Lastern, mit all ihren Werten und Fehlern, mit ihrer gesamten moralischen Welt. Und so wie sie sind, wie sie aus den Körpern und dem irdischen Leben herausgefahren sind, wird über sie beim Besonderen Gericht gerichtet und ihre vorläufige Verfassung im Leben nach dem Tod wird bestimmt, vom Besonderen bis zum Letzten Gericht.

 

Aber so wie die religiös-moralische Verfassung der Seele des Menschen während des Lebens verschiedenartig ist, so ist diese auch verschiedenartig nach ihrem Verlassen des Körpers und im Leben nach dem Tod. Es gibt keinen Zweifel, dass die Verfassung der Seele nach dem Tod in einer ähnlichen moralischen Verfassung ist, wie jede individuelle Seele während des irdischen Lebens. Dies ist die natürliche Folge, und die natürliche Fortsetzung des Lebens auf der Erde. Denn wenn der Tod oder das Besondere Gericht die Verfassung der Seele komplett ändern würden, dann würde die Kontinuität der Persönlichkeit verloren gehen und im Leben nach dem Tod würde sich Petrus nicht wie Petrus und Paulus nicht wie Paulus fühlen.

 

Die religiös-moralische Verfassung der Seele verändert sich grundlegend nicht im Leben nach dem Tod. Wenn sie Gott grundlegend verändern würde, würde Er Gewalt über die Unverletzlichkeit der Freiheit der menschlichen Seele und würde das zerstören, was eine Persönlichkeit zu einer Persönlichkeit macht.

 

Aber auch die Seele selbst, im Leben nach dem Tod, wenn sie mit all ihrem Wesen wollen und wünschen würde, sich komplett zu ändern und ein neues Leben zu beginnen, das sich vollkommen von ihrem irdischen Leben unterscheidet, könnte sie das nicht tun. Und das könnte sie deshalb nicht machen, weil ihr der Körper fehlt, der der notwendige Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit ist für ein vollkommen selbstständiges Entscheiden und Handeln, und weil ihr die irdischen Bedingungen und Mittel zur Erlösung fehlen. Mit anderen Worten: im Leben nach dem Tod ist die Reue unmöglich, denn dort reift jenes, was auf der Erde begonnen wurde, und in die Richtung, in der es begonnen wurde. Daraus weist uns die Hl. Schrift hin, wenn sie das Leben auf der Erde als Aussaat bezeichnet, und das Leben nach dem Tod als die Ernte. ⁶

 

Das Leben der Seelen im Leben nach dem Tod, wie uns die Göttliche Offenbarung zeigt, besteht aus der unvollständigen Seligkeit oder dem unvollständigen Leiden, denn die vollkommene Seligkeit oder das vollkommene Leiden kommt erst nach dem Letzten Gericht, denn die Seele ohne den Körper ist nur Seele und kein vollständiger Mensch. Beim Besonderen Gericht werden die Seelen, nach ihren Taten und freien

Entscheidungen auf der Erde, in zwei Arten geteilt: gerechte Seelen und sündige Seelen. Daher sind im Leben nach dem Tod nur zwei entsprechende Verfassungen möglich: die Verfassung der Seligkeit und die Verfassung des Leidens, beide mit ihren vielfältigen Nuancen; und zwei Orte: Paradies und Hölle, wieder beide mit ihren vielen Familien. ⁷ Die Heilige Offenbarung lehrt klar und bestimmt, dass im Leben nach dem Tod nur zweierlei Ernten möglich sind: vom Körper – der Tod, vom Geist – das ewige Leben. ⁸ Doch gemäß den verschiedenen Stufen der moralischen Vollkommenheit oder Sündhaftigkeit der Seele, gibt es verschiedene und vielfältige Stufen der Seligkeit und Stufen des Leidens der Seele im Leben nach dem Tod.

 

Indem sie im Leben nach dem Tod ihr Leben mit ihrem ganzen Wesen fortsetzen, besitzen die Seelen ihre vollständige Persönlichkeit und ihr Selbstbewusstsein: sie fühlen, erfahren, erkenne, und erfüllen allgemein alle psychischen Funktionen. Das offensichtliche Beispiel hierfür haben wir in der Geschichte Christi über den Reichen und Lazarus: der Reiche sieht und erkennt Lazarus und Abraham, er fühlt das Leiden im Feuer, bittet um Hilfe, erinnert sich an seine Brüder auf der Erde und sorgt sich um ihr Schicksal auf der Erde und im Leben nach dem Tod;⁸ der Patriarch Abraham lebt in Seligkeit, erklärt dem Reichen die Natur des Paradieses und der Hölle, rechtfertigt das Bestehen der Seligkeit und der Leiden im Leben nach dem Tod, und weist auf die Mittel zur Erlösung hin. ⁹

 

(Es wird fortgesetzt)

 

1 Јoh 5,22.

2 Lk 16,23. 25.

3 Ebd. S. 23-25.

Ebd., S. 25.

5  Offb. 14,13.

6 Gal. 6,7-8.

7 Јoh 14,2.

8 Gal 6,8.

9 Lk 16,23. 24. 27-28.

 

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